Max Reiners

Wie wird man eigentlich… Filmemacher?

Filme bringen uns zum Lachen, Weinen und Nachdenken, und manchmal beeinflussen sie sogar die Jobwahl. Als Max Reiners im zarten Alter von acht Jahren die VHS-Kassette von „Titanic“ geschenkt bekam und den legendären Schiffsuntergang vor dem Bildschirm erlebte, wusste er: Die Filmbranche sollte es später sein! Doch auf dem Weg in den kreativen Beruf musste der bodenständige Fischelner Jung erst einige Umwege einlegen. Heute lebt er als Projektmanager in Berlin, hat 20th Century Fox und Paramount im Lebenslauf stehen und realisiert gerade sein erstes selbst verfasstes Drehbuch. Ein Gespräch über Träume, Autoren und Drehorte – und warum Humor der Schlüssel zu Emotionen sein kann.

„Das bin ich, im Sommer 1998, ahnungslos, dass Weihnachten 1998 mein Leben nachhaltig verändern würde.“ Mit einem pixeligen Kinderbild und launigen Worten machte sich Max Reiners bei Facebook auf die Suche nach Sponsoren – jetzt wurde der Kurzfilm „Einmal“, der auf seinem Drehbuch basiert, in und um Krefeld verfilmt. Es sind geerdete Sätze, die der 33-Jährige im Interview äußert, er schwärmt nicht gleich von großen Kinosälen, rauschenden Farben oder dem Rattern eines Filmprojektors, sondern spricht gelassen und fast nüchtern über seine Kindheit im ruhigen Stadtteil Fischeln, familiäre Filmabende und die Schwierigkeiten der modernen Partnersuche. „Ich habe das Drehbuch nach einem Date in Berlin als kleine Fingerübung geschrieben, es sollte gar nicht veröffentlicht werden“, gibt der aufstrebende Filmemacher mit einem dezenten Lächeln zu. „Eigentlich wollte ich nur verarbeiten, was ich selbst erlebt hatte.“

Denn obwohl Max Online-Dating „schrecklich“ findet, weil er Tiefe lieber mag als die Oberflächlichkeit des Internets, ließ er sich auf das Abenteuer ein, auch um den endlosen Fragen seiner Freunde zu entgehen: „Wir trafen uns sonntags auf ein Feierabendbier und quatschten die ganze Nacht durch. Da war sofort eine Verbindung zwischen uns. Morgens bin ich direkt ins Büro, es war mein erster Arbeitstag im neuen Job. Und sie ging für sechs Monate ins Ausland.“ Er faltet die tätowierten Hände vor der Brust, als wolle er trotzig „Isso!“ sagen. Doch gleichzeitig strahlt er auch eine große Ruhe aus, die er in stressigen Produktionsprozessen bestimmt gut gebrauchen kann. Ein Freund aus der Theaterbranche habe die Geschichte gelesen und Max ermutigt, gemeinsam mit Regisseur Philip Neuer einen Film zu realisieren. Und so erfahren wir heute auf ihrer Webseite: „,Einmal‘ nimmt dich mit auf die Reise von Lasse, der genug vom Auf und Ab des Online-Datings hat. Nur widerwillig stimmt er zu, sich mit Nina zu verabreden. Doch noch ein Jahr später sucht er Antworten zu der Nacht, die sein Leben auf den Kopf stellen sollte.“ Die Parallelen zwischen Max Reiners und Hauptfigur Lasse sind unverkennbar.

Auch der professionelle Text kommt nicht von ungefähr: Als Creative Director bei einer der führenden deutschen Filmmarketing-Agenturen in Berlin hat der gebürtige Krefelder zahlreiche Trailer, TV- und Social-Media-Spots für führende deutsche Filmverleiher wie Constantin, Warner Bros., Studiocanal und Tobis Film entwickelt. Mittlerweile ist er Projektmanager bei Paramount, arbeitet an der Schnittstelle zwischen Marketing und Produktion und betreut aktuell eine deutsche Serie für einen Streamingdienst. „Ich habe bestimmt alles an Trailern gesehen, was man sich vorstellen kann“, erinnert er sich. Die Zusammenarbeit mit Michael Bully Herbig ist ihm besonders im Gedächtnis geblieben, auch weil der Filmclip zum Spielfilm „Tausend Zeilen“ für den Golden Trailer Award nominiert wurde. „Der ganze Prozess war spannend, Bully Herbig war sehr involviert. Bei manchen Regisseuren kann das anstrengend sein, wenn sie vergessen, dass ein Trailer ein Verkaufsinstrument ist. Hier hat der Komponist eigens eine Musik für den Spot geschrieben, was eher unüblich ist.“ Es folgt eine begeisterte Beschreibung von Ideen, wie viele Tage für die erste Fassung ins Land gingen und ein paar statistische Details – kein Zweifel, Max Reiners nimmt seine Arbeit offensichtlich ernst und mag Menschen, die Entscheidungen treffen und dafür die Verantwortung tragen. Ein Blick in seinen Lebenslauf mit Stationen bei 20th Century Fox, Sony Pictures und Dream Factory verrät, dass er Herausforderungen annimmt, aber wenig mit Langeweile anfangen kann. „Wenn sich Chancen ergeben, nutze ich sie, wenn es zu mir passt“, sagt der Filmemacher bestimmt. „Der größte Schlüssel zum Erfolg ist für mich Zusammenarbeit. Weshalb ich die Arbeit mit anderen Kreativen besonders schätze. Meiner Erfahrung nach sind die Ergebnisse dann um ein Vielfaches besser. Zusätzlich macht der Prozess meist auch noch mehr Spaß, und das wollen wir doch alle: Arbeiten mit Freude.“

Dreharbeiten auf der Landstraße zwischen Fischeln und Willich…
…und am Flughafen in Weeze.

Der Weg in den Beruf verlief am Anfang nicht so geradlinig, wie Max heute auf sein Gegenüber wirkt. Aufgewachsen in einem bürgerlichen Haushalt, der Vater Handwerker, die Mutter Erzieherin, hatte der Schüler der Montessori-Schule nur wenig Kontakt zur Kulturszene. „Ich habe zwar als Kind schon mit einem Diktiergerät Dialoge nachgespielt und Filme geliebt, aber wir sind selten im Theater gewesen. Für meine Eltern war es kaum vorstellbar, dass ich eine künstlerische Karriere anstreben könnte.“ Nach dem Abitur plant Max daher zunächst, Medizin zu studieren. Um die Wartezeit auf einen Studienplatz zu überbrücken, beginnt er eine Krankenpflegeausbildung, bis er feststellt: „Was mich gereizt hat, war die Ausnahmesituation, der Stress in der Notaufnahme, nicht der Alltag.“ Er kündigt gelangweilt und bewirbt sich auf ein Lehramtsstudium. Schon nach zwei Monaten bricht er heimlich ab, mit 500 Leuten im Hörsaal habe er sich nicht wohl gefühlt. Die Reaktion der Eltern? Eher „unschön“, gesteht der Wahlberliner lachend. Erst ein Aufenthalt in Kanada bringt endlich Klarheit: „Ich muss das machen, was ich seit meiner Kindheit will: Filme!“ Also bewirbt er sich an der Stuttgarter Hochschule der Medien und wird angenommen.

In Baden-Württemberg und Edinburgh lernt Max nicht nur, wie man Drehbücher schreibt, Filme schneidet oder Drehs disponiert, er knüpft vor allem wichtige Kontakte: „Das Studium war sehr breit aufgestellt, ich traf Filmkomponisten, TV-Redakteure, Künstler.“ Eine einjährige Masterclass für angehende junge internationale Filmproduzenten und Verleiher bringt ihn nach Frankfurt zu Fox. Aus dem Praktikum wird schnell eine feste Anstellung, bei der er Einblicke in die Filmproduktion bekommt und täglich zwei bis drei Drehbücher liest. All diese Erfahrungen erweisen sich als nützlich für den Kurzfilm und lassen Zukunftspläne reifen: „Ich möchte einen Job mit Schreiben finden. Das Drehbuch ist ein schönes Medium, weil es so viel offen lässt, im Grunde wie eine Leinwand, die gefüllt wird. Einen Roman könnte ich nicht schreiben, lieber tobe ich mich bei Story, Figuren und Dialogen aus.“ Gefragt nach Vorbildern, fällt dem Film- und Serienfan spontan James Cameron ein, der ein „tolles“ Portfolio vorweisen könne und schon immer starke Frauenfiguren integriert habe, man denke nur an Linda Hamilton in „Terminator“ oder Sigourney Weaver in „Alien“. Auch Phoebe Waller-Bridge sei eine „großartige“ Autorin. Bei dem weniger bekannten Cooper Raiff, der bei „Cha Cha Real Smooth“ Regie führte und außerdem das Drehbuch schrieb, den Film mitproduzierte und selbst die Hauptrolle übernahm, verraten schimmernde Augen, wie nahe ihm die warmherzige Story um einen College-Absolventen gegangen sein muss.

Im Frühling 2024 können sich Krefelder Filmfreunde selbst überzeugen, welche Gefühle „Einmal“ bei ihnen auslösen wird, denn Max verspricht eine  Vorpremiere in der Heimat, bevor der Kurzfilm bei Festivals starten soll. Und wer weiß, vielleicht ist es der Beginn einer wunderbaren Karriere?

Fotos: Max Reiners, Luis Nelsen
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